Ordentlicher? Ausgeglichener? Durchsetzungsfähiger? Welches Persönlichkeitsmerkmal würden Sie gerne gezielt verbessern? Wenn Ihnen sofort ein paar Dinge einfallen, dann geht es Ihnen wie den meisten Menschen. In Umfragen* äußern zwischen 85 und 95% den Wunsch, mindestens einen spezifischen Aspekt ihrer Persönlichkeit, den sie gerne verändern würden. 

Persönlichkeitsentwicklung beginnt in der Kindheit und setzt sich über die gesamte Lebensspanne fort. Lange gingen Psychologen allerdings davon aus, dass sich der Charakter eines Menschen im Erwachsenenalter nur noch wenig wandelt. Heute wissen wir, dass unsere Persönlichkeit sich durch ein Wechselspiel von Genen, Erfahrungen und mithilfe der Neuroplastizität unseres Gehirns unaufhörlich entwickeln kann.

Mehr noch: Wir können unsere Persönlichkeit ganz gezielt und ein Leben lang verändern, selbst im hohen Alter. So kam eine Studie** von Jule Specht, Psychologie-Professorin an der Humboldt-Universität zu Berlin zu einem überraschenden Ergebnis: Unsere Persönlichkeit kann sich im Alter genauso stark verändern wie in den Teenagerjahren! Bei jedem Fünften vollzieht sich nach dem 60. Geburtstag sogar noch einmal ein ungewöhnlich starker Persönlichkeitswandel. 

Wir haben also ein Leben lang die Möglichkeit, persönlich zu wachsen. Bleibt die Frage: Wo ansetzen? Hier konnte Carol Dweck, Psychologie-Professorin an der Stanford-Universität nachweisen, dass unsere mentale Grundeinstellung - das Mindset -  die entscheidende Rolle bei der Entfaltung unserer Potenziale spielt.*** Alles beginnt damit, für wie veränderbar Sie Ihre Persönlichkeit halten. Mit dem folgenden Persönlichkeitstest können Sie dies schnell herausfinden.

Im nachstehenden Persönlichkeitstest**** finden Sie 3 Aussagen, die auf Sie in unterschiedlicher Ausprägung zutreffen können. Bitte geben Sie für jede der folgenden Aussagen abgestuft an, in welchem Umfang Sie ihr zustimmen. 

Auswertung

Nachdem Sie in jeder Zeile eine Zahl angekreuzt haben, addieren Sie diese drei Zahlen. 

• Ist die Summe kleiner als 8, dann spricht dies für einen unterdurchschnittlich ausgeprägten Glauben an eine stabile Persönlichkeit. Sie gehen also davon aus, dass Persönlichkeit stark veränderbar ist.
• Ist die Summe 8 oder größer, aber kleiner oder gleich 19, dann spricht dies für einen durchschnittlich ausgeprägten Glauben an eine stabile Persönlichkeit. Sie gehen also davon aus, dass manche Aspekte der Persönlichkeit durchaus veränderbar sind.
• Ist die Summe größer als 19, dann spricht dies für einen überdurchschnittlich ausgeprägten Glauben an eine stabile Persönlichkeit. Sie gehen also davon aus, dass Persönlichkeit wenig veränderbar ist.
  
  

Wer davon ausgeht, dass Persönlichkeitsmerkmale statisch, angeboren und kaum veränderbar sind, wird eher wenig Drang verspüren, die Eigeninitiative für persönliche Veränderungen zu ergreifen.

Wie allerdings Erfahrungen aus der Coachingpraxis sowie mehrere Studien***** zeigen, lohnt es sich, Zeit und Mühe in die eigene Persönlichkeitsentwicklung zu stecken und hierauf höchste Priorität zu legen. So ist belegt, dass beruflicher und finanzieller Erfolg weniger von der Intelligenz als vielmehr von unserer Persönlichkeit und unserem Mindset abhängen. Außerdem ist bekannt, dass

• emotional stabile Menschen sich von Rückschlägen weniger aus der Bahn werfen lassen, während emotional instabile Menschen häufiger psychisch und körperlich krank werden 
• gewissenhafte Menschen seltener rauchen, sich gesünder ernähren, mehr Sport treiben und deshalb eine höhere Lebenserwartung haben
• besonders verträgliche Personen öfter in glücklichen, dauerhaften Beziehungen leben und auch seltener an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden. 

Was brauchen wir, um unsere Persönlichkeit gezielt zu verändern? Und wie kann uns mentales Training dabei wirksam unterstützen? 3 Dinge:

• Selbsterkenntnis
  Am Anfang steht das Bewusstsein, wer man ist, was man kann, was den Charakter prägt und in welche Richtung man seine Persönlichkeit verändern möchte. Hierfür ist die Selbstreflexion über die eigenen Talente, Stärken/Schwächen und den individuellen Entwicklungsweg wichtig. Persönlichkeitstests und das Feedback von anderen können diesen Erkenntnisprozess unterstützen. Mit spezifischen Mental-Übungen kann man darüberhinaus herausfinden, welche Denkmuster und Glaubensprogramme die persönliche Entwicklung eher fördern oder eher stören.
  
  

• Selbstvertrauen
  Die Überzeugung, seine Persönlichkeit auch tatsächlich verändern zu können, ist eine zentrale Säule der Persönlichkeitsentwicklung. Wer glaubt, dass er sich eh nicht mehr ändern kann oder wem es – wegen seiner Schwächen – grundsätzlich an Selbstakzeptanz mangelt, dem fehlt auch das nötige Selbstvertrauen und die Kraft, persönliche Veränderungen konstruktiv anzugehen. Moderne Mentaltechniken können hier gezielt helfen, Zuversicht, Motivation und innere Stärke für die anstehenden Veränderungen aufzubauen.
  
  

• Selbstveränderung
  Um Ihren Prozess der persönlichen Entwicklung starten zu können, benötigen Sie eine konkrete Vorstellung Ihres Entwicklungsziels (z.B. kontaktfreudiger zu werden) sowie eines Umsetzungsplans. In der Praxis haben sich mentale Wenn-Dann-Pläne bewährt. Zum Beispiel: "Wenn ich neue Berufs-Kontakte knüpfen will, dann begrüsse ich die Tagungsteilnehmer mit einem freundlichen Lächeln."  Erst das regelmässige Verstärken spezifischen Verhaltens, ermöglicht es Verhaltensgewohnheiten zu entwickeln, die dann zum neuen Wesens-Bestandteil Ihrer Persönlichkeit werden.

Selbstverständlich kann Persönlichkeitsentwicklung keine Wunder vollbringen. Es geht nicht darum, einen komplett anderen Menschen aus sich zu machen oder jemand sein zu wollen, der man nicht ist. Persönlichkeitsentwicklung ist außerdem nichts, was "mal eben so nebenbei passiert". Es braucht dazu den Wunsch und die Bereitschaft, aktiv und regelmässig "innere Arbeit" leisten zu wollen. Mentales Training ist dabei erfahrungsgemäss eine der besten Möglichkeiten, um persönliche Entwicklungsprozesse wirksam voranzubringen.

Fassen wir zusammen: Für das gezielte Verändern unserer Persönlichkeit sind 3 mentale Voraussetzungen nötig:

Wir müssen ...

• uns wirklich ändern und entwickeln wollen (Motivation)
• eine Veränderung überhaupt für möglich halten (Möglichkeit)
• den Wunsch auch in konkretes Handeln umsetzen (Machen).

Die bloße Absichtserklärung, sich verbessern (z.B. selbstbewusster werden) zu wollen, hilft nicht weiter, wenn man eine solche Veränderung insgeheim nicht für möglich hält oder auch keine konkreten Schritte verfolgt, um sich weiter zu entwickeln. Mit Wunschdenken wird man zu keiner starken Persönlichkeit.

PRAXIS-TIPP:
Hinterfragen Sie genau, warum Sie einige Aspekte Ihrer Persönlichkeit verändern wollen. Ist es wirklich der eigene Wunsch oder versucht man, irgendwelchen Ansprüchen anderer zu genügen? Ist das Ziel immer und überall der Beste werden zu wollen, wirklich realistisch und sinnvoll? Oder kann es nicht auch ein wichtiger Entwicklungsschritt sein, sich so wie man ist - mit all seinen Schwächen und Unzulänglichkeiten - anzunehmen? 

"Erlaube Dir, ein unperfekter Mensch zu sein.

Ändere, was du kannst und mache das Beste aus dem,

was du nicht ändern kannst oder willst."

Quellen: 

* Umfragen zu Silvestervorsätzen (siehe z.B. www.statista.com) zeigen, dass die meisten Menschen persönliche Veränderungen anstreben (z.B. mehr Selbstbewusstsein  oder Disziplin)

** siehe dazu das Interview vom 12.05.2018 von Alice Ahlers mit Jule Specht auf www.zeit.de mit dem Titel "Die Persönlichkeitsentwicklung ist niemals fertig“ 

*** Mehr dazu im Buch von Dweck, Carol: Mindset - changing the way to fulfill your potential
**** Dieser Persönlichkeitstest basiert auf Arbeiten von Prof. Carol Dweck und Kollegen. Entnommen dem Buch: Jule Specht: Charakterfrage: Wer wir sind und wie wir uns verändern
***** siehe dazu auch: Allan, J. et al: Application of a 10 week coaching program designed to facilitate volitional personality change: Overall effects on personality and the impact of targeting, in: International Journal of Evidence Based Coaching and Mentoring, 2018 und Roberts, B.W. et al: A systematic review of personality change through intervention, in: Psychological Bulletin 2017 sowie Studien des Nobelpreisträgers James Heckman, erwähnt im Artikel von „Faye Flam: If you are so smart, why aren’t you rich?“ auf www.bloomberg.com